Nikolai von Astudin
Am 9. Juli 1847 wurde in Moskau Nikolai von Astudin als Sohn von Leo von Astudin, Diplomat und Major der Kaiserlichen Garde Nikolai I. Palowitsch, Zar aller Reußen, geboren. Nach ihm erhielt Astudin seinen Vornamen. In der Kirche des großen Kasakow wurde das Einzelkind in unruhigen Zeiten getauft. Sein Vater verscholl im Krieg und der Name seiner Mutter geriet in Vergessenheit. Somit ersetzte seine Großmutter dem jungen Astudin die Mutterstelle. In einem adligen Knabenstift in St. Petersburg, mit dem Ziel, dass er Kadett werde und Gardeoffizier, wie sein verschollener Vater Leo, wurde Nikolai von Astudin erzogen.
Schon zu dieser Zeit träumt er von dem freien Leben in den Großstädten Europas (Paris, London, Berlin und Rom) und durchstreifte mit Zeichenblock und Kohlestift die Armenviertel an der Newa, skizzierte die Kasan-Kathedrale, den Kreml oder auch die Festung auf Sajatscha. Bald darauf wurde er aufgrund Verbindungen aus dem elterlichen Kreis künstlerisch unterwiesen.
Nachdem Astudin Berlin besucht hatte, führte sein Weg nach Paris zu dem berühmten Aquarellist Professor Cassaque der sich seiner annahm und seine angeborene Begabtheit förderte. So lernte Astudin mit 15 Jahren die Fertigkeiten der Farbmischungen, die für seine spätere Wanderzeit von großer Bedeutung sein sollte.
Nahe den Orten Buc oder Fontenay les Roses verbrachte der junge Künstler seine knappe Freizeit mit den neugewonnenen russischen Freunden. Dort lernte er auch später russische Emigranten, unter ihnen auch Verwandte, die vor der Revolution in ihre Heimat nach Frankreich emigrierten, kennen.
Zu dieser Zeit malte er erfolgreich Bilder in schwarz/weiß, Pastell oder Aquarell, wie etwa den »Place du Tertre« oder die bizantinische »Sacre Coeur«. Durch den Verkauf seiner Bilder ermöglichte sich der junge Künstler viele Galerien Europas zu besuchen.
Die Begegnung mit Manet war entscheidend für den Weg des Künstlers und dieser beeinflusste Astudin auch zu einem Besuch in Deutschland und dem Rhein, dessen Romantik Manet auf früheren Reisen stark beeindruckt hatte. In München begegnete Astudin Carl Rottmann, dessen künstlerischem Einfluß er zunächst unterlag. Ebenfalls lernte er auch Eduard Schleichs kennen, allerdings ohne den Versuch, seine Maltechnik zu kopieren. Über Berlin, wo er im Jahre 1878 seine erste eigene Ausstellung eröffnete, reiste Astudin nach Finnland und fand dort und später im Alpenland von Italien seinen unverwechselbaren Astudin-Stil.
Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Kassel führte ihn der Weg über Gießen, Wetzlar lahnabwärts in die Städte Ober- und Niederlahnstein.
Auf einer dieser Reisen lernte Astudin die in Braubach geborene und dort ansässige rund 20 Jahre jüngere Tiermalerin Johanna Meinecke kenne. Aus einer losen Liaison wurde schließlich eine feste Bindung, die mit der Heirat im Jahre 1896 die Sesshaftigkeit des alternden Künstlers werden sollte. Von dem Jahre 1868 bis 1915 bezog das harmonische Künstlerpaar sein neues Haus in der Gymnasialstraße 11 in Oberlahnstein.
Die Lust am Malen beflügelt Astudin zu seinen Collagen »Von Mainz bis Köln« und zu »Lahnstein bis Marburg«.
Der sich längst als Bürger Oberlahnsteins fühlende Astudin wurde zu Beginn des ersten Weltkrieges 1914/ 1918 fremdenfeindlich als »dreckiger Russe« bezeichnet und willkommene Freunde seines Hauses mieden plötzlich seine nähere Umgebung. Ohne seine Schaffenskraft zu verlieren, überging Astudin auch diese Zeit und machte sich einzig Sorge, dass es seiner Familie gut ging.
Im Frühsommer des Jahres 1925 wurde Astudin durch eine tückische Krankheit auf das Krankenlager geworfen und erholte sich nicht mehr. Nikolai von Astudin starb am 8. August 1925 und wurde am 11. August 1925 auf dem alten Oberlahnsteiner Friedhof beerdigt. Seine Frau Johanna überlebte ihn nicht lange. Unter ungeklärten Umständen ertrank sie am 16.12.1926 im Rhein.
Rheingemälde von Nikolai von Astudin