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Ingelheim
Ingelheim bietet eine Kombination, die schwer zu schlagen ist: Rotwein, Obst und Spargel gepaart mit 2000 Jahren Geschichte. Allerlei Köstliches also für Auge und Gaumen, gute Gründe für einen Besuch. Dabei entstand Ingelheim selbst erst im Jahre 1939 aus den ehemals selbständigen Gemeinden Ober-Ingelheim, Nieder-Ingelheim mit Sporkenheim und Frei-Weinheim, Großwinternheim wurde 1972 eingemeindet, seit 1996 ist Ingelheim Kreisstadt des Landkreis Mainz-Bingen.
Ingelheim weist kontinuierliche Besiedelung seit der Altsteinzeit auf, was sicherlich zu einem nicht geringen Teil am milden Klima und an der fruchtbaren Beschaffenheit der Böden liegt. Nach den Kelten kamen die Römer. Zahlreiche Funde aus dieser Zeit bezeugen eine lebhafte Besiedlung, zahlreiche Straßen schnitten sich auf dem heutigen Stadtgebiet. Die Völkerwanderung brachte eine fränkische Besiedelung und führte zur Gründung der meisten heutigen Stadtteile. Aber erst durch den Bau der Kaiserpfalz unter Karl dem Großen 788 errang Ingelheim größere Bedeutung. 807 erwähnt eine Urkunde den »palatium ingelinheim«. Im Jahre 948 tagte in der Remigiuskirche die Reichssynode in Gegenwart Ottos des Großen und des Königs Ludwig IV. von Frankreich. Nach der erzwungenen Abdankung Heinrichs IV. auf dem Ingelheimer Fürstentag von 1105 verlor die Kaiserpfalz immer mehr an Bedeutung, wurde unter Friedrich Barbarossa eher zum Denkmal ausgebaut, bis sie schließlich 1375 von Kaiser Karl IV. an Kurpfalz verpfändet wurde. 1402 wurde das Gebiet der Kaiserpfalz zur Besiedlung freigegeben, bebaut und als willkommener Steinbruch genutzt. Noch einmal, im Jahre 1488, geschah geschichtlich Bedeutendes: Sebastian Münster, Theologe, Geograph und Historiker kam in Nieder-Ingelheim zur Welt.
Ober-Ingelheim hingegen wuchs im Mittelalter, die Burgkirche mit ihrer doppelten Wehrmauer, die Stadtmauer mit ihren Toren und Wehrtürmen und bedeutende Adelshöfe beweisen das bis heute. Im 14. und 15. Jahrhundert war der »Ingelheimer Oberhof« kaiserliches Berufungsgericht. 1802–1814 war Ingelheim unter französischer Herrschaft, Ober-Ingelheim wurde Kantonshauptort des Departements Mont Tonnere. 1816 fiel der Ingelheimer Grund an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Das Jahr 1885 brachte mit Gründung der Chemie-Fabrik C. H. Boehringer und Sohn die Basis der bis heute bestimmenden Industrialisierung. Nach dem Ersten Weltkrieg war von 1918–1930 wieder eine Französische Besatzung in Ingelheim, 1938 wurde in der Reichspogromnacht die Synagoge in Ober-Ingelheim zerstört, es folgte die Deportation der jüdischen Bevölkerung. Im März 1945 von amerikanischen Truppen befreit, wurde Ingelheim Teil der französischen Besatzungszone, seit 1947 gehört es zu Rheinland-Pfalz.
Sehenswert und hervorragend aufbereitet sind die erhaltenen Reste der Kaiserpfalz: Teile einer römischen Wasserleitung, eines karolingischen Bades und der Saalkirche, 997 als Pfalzkapelle St. Peter erstmals genannt, heute evangelische Pfarrkirche. Chor und ornamentaler und figürlicher Schmuck stammen aus Barbarossas Zeit, ein spätgotisches Relief stellt Karl den Großen mit Heiligenschein dar. Reste des karolingischen Reichssaales aula regia oder aula palatina und der äußere Ring der stauffischen Mauern mit Eckturm »Bolander« und »Heidesheimer Tor« sind ebenfalls erhalten. Die heute barocke Pfarrkirche St. Remigius, die ab 1739 errichtet wurde, hat noch den romanischen Turm von 1230 bewahrt. Ein überschaubares Bild der Vergangenheit vermittelt das Museum bei der Kaiserpfalz – Rathausplatz 5, 55218 Ingelheim, Tel.: 06132/1374 – in dem Funde aus karolingischer Zeit und ein Modell der Kaiserpfalz präsentiert werden.
Ober-Ingelheim (Ingelheim-Süd) vermittelt noch einen guten Eindruck von seinem mittelalterlichen Ortsbild und der Befestigung. Besonders die heutige evangelische Pfarrkirche, die Burgkirche, mit ihrem doppelten Mauerring des Wehrkirchhofes, der als Fluchtburg diente und dem Kirchturm aus dem 12. Jahrhundert ist ein spektakulärer Anblick. Erst nach 1400 entstand der Chor. Sehenswert im Inneren sind besonders die Grabdenkmäler des Hans von Ingelheim (gest. 1480) und des Wilhelm von Ochenheim (gest. 1465) und die Rankenmalerei der Gewölbe. Wenige Schritte entfernt zeugt der Geismarsche Hof von den einst vielen, prächtigen Adelshöfen. Auch ein Besuch der katholischen Pfarrkirche St. Michael aus dem frühen 18. Jahrhundert lohnt.
In Ingelheim bestehen Bademöglichkeiten in Hallenfreibad und Rheinstrandbad. Minigolf, Tennis, Paddeln, Rudern, Angeln, Segeln und Reiten runden den sportlichen Teil ab. Aber Ingelheim hat auch seinen weltberühmten Ingelheimer Spätburgunder, der auf einer Rebanbaufläche von 260 ha angebaut wird. Die Anbaufläche für Weißwein beträgt noch einmal 400 ha. Dazu kommen 2.000 ha für Obst und 120 ha für Spargel. Es muss also durchaus nicht nur die Geschichte oder Sport sein, was in und an Ingelheim fasziniert. Die Umgebung bietet sich an zu reizvollen Ausflügen, zum Beispiel nach Gau-Algesheim.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, ©Rhein-Mosel-Verlag)