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St. Goar
St. Goar war einmal berühmt als bester Fangplatz für den Salm, als der im Rhein noch in Mengen vorkam. (Damals gab es Lehrlinge, die in ihren Verträgen stehen hatten, dass sie nicht jeden Tag Salm essen müssten.) Ob das je wieder so wird steht in den Sternen. Der Ort steht ein wenig im Schatten der (in jeder Beziehung) mächtigen Ruine Rheinfels. Dabei war hier in den 1840er Jahren kräftig etwas los: Ferdinand Freiligrath wohnte in der Heerstraße und empfing viele und namhafte Kollegen zu Gesprächen, Speis und Trank. So Hans Christian Andersen, Emanuel Geibel, August Hoffmann von Fallersleben, Justinus Kerner, Henry Wadsworth Longfellow, Karl Simrock und andere mehr. Hier schrieb er sein »Glaubensbekenntnis«, das ein Gedicht enthält, das eine Programmschrift zur Rheinromantik und ihren Vertretern ist.
Grabungsfunde belegen, dass das heutige Stadtgebiet bereits in römischer Zeit besiedelt war. Vermutlich gab es sogar eine Rheinfähre. Seinen Namen verdankt der Ort dem heiligen Goar, der sich um 550 hier nieder ließ. Sein Grab entwickelte sich zur Wallfahrtsstätte, die von einem Kollegium betreut wurde, das seit dem 8. Jahrhundert der Abtei Prüm unterstand. Abt Asver von Prüm ließ damals die erste Kirche errichten, die Ende des 11. Jahrhunderts durch eine neue, größere ersetzt wurde. Aus dieser Zeit stammt noch die Krypta. Als Vögte des Klosters waren zuerst die Grafen von Arnstein und ab 1190 die Grafen von Katzenelnbogen zuständig. Zur Sicherung des Rheinzolls ließ Dieter V. von Katzenelnbogen 1245 die Kernburg Rheinfels errichten. Schon zehn Jahre später versuchte der Rheinische Städtebund, sie einzunehmen, aber nach über einem Jahr Belagerung mussten seine Truppen unverrichteter Dinge abziehen. Nach dem Aussterben der Grafenfamilie 1479 kamen die Hessischen Landgrafen in den Besitz von Rheinfels und bauten sie ab dem 15. Jahrhundert zur Schloss-Festung aus. Graf Philipp dem Älteren von Hessen verdankt auch die Stiftskirche ihre heutige Form. Er führte die Reformation ein und hob das Stift auf. In den folgenden Jahren gab es schwere Kämpfe und die Burg wechselte mehrfach den Besitzer, bis sie, welch unrühmliches Ende, 1797/98 von den Franzosen gesprengt und danach als Steinbruch genutzt wurde. St. Goar war bis 1813 unter französischer Verwaltung, kam 1815 zu Preußen und wurde Kreisstadt. Die Auflösung des Kreises St. Goar im Zuge der Verwaltungsreform sowie die Eingliederung der Stadt St. Goar in die Verbandsgemeinde St. Goar-Oberwesel mit Sitz in Oberwesel im Jahre 1972 brachten wieder eine stärkere Hinwendung zum Fremdenverkehr.
Der heilige St. Goar also erbaute Mitte des 6. Jahrhunderts an der Lohbach-Mündung eine Klause. Daraus entstand um 765 eines der ältesten Klöster Deutschlands und die erste Stiftskirche St. Goar. Im 11. Jahrhundert wesentlich erweitert, wurde ab 1444 die bis heute vorhandene, dreischiffige Halle errichtet. Die zierlichen Netzgewölbe und die Farbgestaltung sind mehr als beachtlich. Die Fresken wurden 1905 wieder entdeckt, sie stellen die vollständigsten spätgotischen Ausmalungen im Rheinland dar. Die mit hervorragenden Skulpturen gestaltete Kanzel von 1460 und zwei Grabdenkmäler überstanden als einzige Stücke der Ausstattung die Einführung der Reformation. Die Grabmonumente Philipps II. und seiner Gemahlin Anna Elisabeth von Bayern befinden sich in einer eigenen Grabkapelle. Sie stammen von Wilhelm Vernukken, dem Meister der Kölner Rathausvorhalle. Die katholische Pfarrkirche St. Goar durfte 1660 außerhalb der Stadtmauern errichtet werden. Dieser Bau wurde Ende des 19. Jahrhunderts durch den jetzigen ersetzt. Zentrum ist ein spätgotischer Flügelaltar aus der Schule des Hausbuchmeisters um 1480. Am Glockenturm, früher ein Torturm der Stadtmauer, ist eine Darstellung des heiligen Goar, ursprünglich ein Schlussstein der Stiftskirche, eingemauert. Über dem rechten Seitenaltar ist die Deckplatte der Tumba des Heiligengrabes eingelassen, eine ausdrucksstarke Arbeit des 14. Jahrhunderts. Von der mittelalterlichen Stadtmauer sind noch Teile erhalten, nämlich der sogenannte Hexenturm beim Bahnhof und der Kanzleiturm, sowie die Nordmauer mit dem Schleiertor. Ein keltisches Monument, die 1,20 m hohe »Flammensäule« kann hier nur als Kopie besichtigt werden, denn das Original befindet sich im Rheinischen Landesmuseum in Bonn.
Burg Rheinfels hat noch immer schier riesige Ausmaße, wie muss sie erst gewirkt haben, bevor man sie so fleißig als Steinbruch nutzte. Traurig, dass man die eine große Anlage abbrach, um die andere (die Festung Ehrenbreitstein) wieder herzurichten. Wie schon erwähnt ließ Dieter V. von Katzenelnbogen die Burg 1245 errichten. Bei der Belagerung durch den Rheinischen Städtebund (Dieter hatte den Zoll erhöht) widerstand sie ein Jahr und vierzehn Wochen den rund 9000 Angreifern und fünfzig Schiffen. Im 14. Jahrhundert folgte eine weitere Bauphase, damals erhielt der heute verschwundene Bergfried seinen »Butterfassaufsatz«, den wir von der Marksburg kennen. Unter den Landgrafen von Hessen wird die Burg gemäß der neuesten Geschütztechnik nachgerüstet, dann im 16. und 17. Jahrhundert zum Wohnsitz und zur Festung ausgebaut. 1692 widerstand Rheinfels als einzige linksrheinische Festung den Truppen Ludwigs XIV., auch 1734 hielt sie stand, 1794 mußte sie jedoch den französischen Truppen überlassen werden und 1796/97 wurden die Aussenwerke, der Bergfried und der so genannte Darmstädter Bau gesprengt. Sie wurde 1812 versteigert und zum Steinbruch, bis sie der spätere Kaiser Wilhelm I. 1843 kaufte und so den weiteren Abbau unterband. Bis 1925 verblieb sie im Besitz des Hauses Hohenzollern, dann kam sie an die Stadt.
Die Ruinen der mittelalterlichen Burg und die unterirdischen Gänge der Festung sind eindrucksvoll, ebenso die Aussicht. Die Burg beherbergt ein Museum und ein Schlosshotel mit Restaurant.
Öffnungszeiten für Burg und Museum: Ostern bis 1. Sonntag im November täglich 9.00 bis 18.00 Uhr, ab 1. Sonntag im November bis Sonntag vor Ostern (bei guter Witterung) Samstag und Sonntag 11.00 bis 16.00 Uhr.
St. Goar bietet sportliche Betätigungen wie Angeln, Minigolf und Wassersport, aber von hier aus lässt sich auch gut der Rhein-Hunsrück-Kreis entdecken. Oder wie wäre es mit dem Deutschen Bären- und Puppenmuseum in der Sonnengasse 8, oder das Wahrschauer- und Lotsenmuseum, oder einem guten Glas Wein. Erwähnenswert sind die in St. Goar angebauten Weine mit ungewöhnlichen Namen wie »Kuhstall« oder »Hasenflöz«.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, © Rhein-Mosel-Verlag)