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Neuwied
Die ehemalige Residenzstadt Neuwied liegt an den Flüssen Rhein und Wied.
Der Name verrät es, das Zentrum Neuwieds wurde erst 1653 durch Graf Friedrich zu Wied gegründet. Noch heute lässt sich der planmäßige, barocke Aufriss gut erkennen.
Die anderen Stadtteile sind viel älteren, teils prähistorischen Ursprungs und haben sich Reste ihrer mittelalterlichen Bebauung bewahrt.
Bei Gönnersdorf wurden bedeutende Funde einer eiszeitlichen Besiedelung gemacht. In römischer Zeit sicherten kleine Erdkastelle bei Rockenfeld, Block und auf der Höhe hinter Oberbieber und befestigte Kastellanlagen bei Heddesdorf und Niederbieber den Rheinübergang und den Limes. Funde aus der Frankenzeit sind ebenfalls belegt.
An Stelle des im Dreißigjährigen Kriege zerstörten Langendorf (Stadtrecht 1352) gründete Graf Friedrich III. zu Wied im Jahre 1653 seine Residenz »Newen Wiedt«. Es war eine offene Stadt ohne Wehranlage. Der tolerante Herrscher gewährte wegen ihres Glaubens verfolgten Flüchtlingen großzügig Zutritt in die neue Stadt, eine Praxis, die sich durchaus positiv auf die wirtschaftliche Lage auswirkte. Bis heute beherbergt Neuwied siebzehn verschiedene Glaubensgemeinschaften. Ein besonders kluger Schachzug war die Errichtung sogenannter Lotteriehäuser. Sie wurden gebaut und anschließend verlost, preiswert, noch ein Zuzugsgrund für Neubürger.
Während der Revolutionskriege 1795–1797 war Neuwied Schauplatz mehrerer Gefechte zwischen den Franzosen und den Preußen und Österreichern. Am 18. April 1797 fand die berühmte »Schlacht bei Neuwied« statt, letztlich Auslöser für den Aufstieg Napoleons.
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine rege industrielle Entwicklung ein. Im Jahre 1858 wurde die links-rheinische, 1869 die rechtsrheinische Eisenbahnstrecke errichtet, Neuwied lag verkehrstechnisch ideal.
Ein Baudenkmal besonderer Art bilden die Hochwasserdeiche, die der Stadt auch den Namen »Deichstadt« eingebracht haben.
Auch in der Literaturgeschichte taucht Neuwied mehrmals auf. Von hier brach Maximilian Prinz zu Wied zu seiner »Reise durch das innere Nordamerika« auf (1838–1841), seine Reisebeschreibungen mit den herrlichen Illustrationen sind auch heute noch faszinierend. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874) lebte von 1851 bis 1854 in Neuwied. Hier wurden aber auch der Erzähler, Essayist und Kunstkritiker Carl Einstein (1885–1940) und der Schriftsteller und Arzt Friedrich Wolf (1888–1953) geboren. Einsteins wegweisende Wirkung ist heute fast vergessen, Wolf muss für Westdeutschland in seiner Bedeutung erst noch entdeckt werden. Aber daran wird gearbeitet, seine Stücke kommen in Neuwied wieder zur Aufführung.
Seit 1970 besteht Neuwied aus den Stadtteilen Altwied, Block, Engers, Feldkirchen, Gladbach, Heimbach-Weis, Irlich, Niederbieber-Segendorf, Oberbieber, Rodenbach und Torney.
Zahlreiche Sehenswürdigkeiten verteilen sich auf die Innenstadt und die Stadtteile.
Das Schloss Neuwied, 1653 erbaut, wurde 1694 schon Opfer französischer Soldaten. In seiner heutigen Form wurde es ab 1703 nach Plänen des Architekten Julius Ludwig Rothweil errichtet. Ursprünglich sollte es, Vorbild natürlich Versailles, dreiflügelig erbaut werden, heraus kam dann aber die Anlage von drei getrennten Gebäuden. Zentral das repräsentative »Corps de Logis«, zu beiden Seiten die Flügel mit den Wirtschaftsgebäuden. Muss man noch erwähnen, dass Goethe, Lavater und Basedow im Juli 1774 hier wohnten? Zur Straße hin lässt sich das herrliche, schmiedeeiserne Tor bewundern, davor die Kanonen mit ihren Kugelpyramiden. Aber auch wenn das Tor einladend offen steht, das Schloss wird von der fürstlichen Familie bewohnt und ist nicht zu besichtigen.
Diesen Mangel macht aber das Kreismuseum wieder wett. Hier findet sich eine bemerkenswerte Sammlung von Möbeln der berühmten Kunsttischler Abraham und David Roentgen, die mit den Herrenhuthern nach Neuwied einwanderten, sowie Uhren der nicht minder bekannten Familie Kinzing. Peter Kinzing, (1746–1816) arbeitete ab 1770 mit Abraham und David Roentgen zusammen und fertigte Spieluhren mit Flöten oder Glocken, Uhren mit astronomischen Angaben oder auch einfache Pendeluhren. Daneben gibt es eine Menge heimatkundlicher Exponate und wechselnde Sonderausstellungen. (Telefon 02631/8030).
Auch die Straßen von Neuwied lassen in vielen Teilen noch ihren ursprünglichen Baubestand erkennen. Galerien laden zu Ausstellungen (besonderer Tipp: die städtische Galerie Mennonitenkirche mit wechselnden Ausstellungen), Konzerte finden statt, das Schlosstheater bietet interessante Inszenierungen. Neuwied ist eine sympathisch überschaubare Stadt, deren große Fußgängerzone zum Schlendern und Einkaufen einlädt.
Besonders lohnend ist dabei ein Bummel über die massiven Deichanlagen mit dem zwischen 1928 und 1932 als Wahrzeichen der Deichstadt Neuwied errichteten Pegelturm.
Nördlich Neuwieds findet sich, folgerichtig, Altwied. Auf einem auf drei Seiten von der Wied umflossenen Bergsporn liegt Burg Altwied, um 1120 erbaut und in den folgenden Jahrhunderten immer weiter ausgebaut und befestigt. Seit dem 14. Jahrhundert verbindet ein gemeinsamer Befestigungsring die Burg und das Dorf. Nach dem Umzug der Bewohner nach Neuwied 1653 wurde die Anlage bedeutungslos und verfiel zur Ruine.
Im Stadtteil Heimbach-Weis findet man die ehemalige Abtei Rommersdorf, gegründet 1117, aber bereits 1125 wieder aufgegeben. Zehn Jahre später erfolgte die Neugründung durch belgische Prämonstratenser. 1541 bei einem Feuer schwer beschädigt, wurden ab 1698 die Klostergebäude erneuert. 1803 verließ der letzte Abt im Zuge der Säkularisation die Abtei, 1820 wurde sie versteigert und als Gut verpachtet. Seit 1976 bemüht sich die »Stiftung Abtei Rommersdorf« um die Erhaltung der Anlage.
Sehenswert sind zwei erhaltene Flügel des Kreuzganges, der mittelalterliche Fliesenboden im Kapitelsaal und die barocke Ausmalung der Refektorien. Von besonderer Bedeutung sind die hier stattfindenden Konzerte und Aufführungen.
Rommersdorf hat zwei Heilige und einen Weihbischof hervorgebracht. Dietrich von Rommersdorf, verstorben am 16. Dezember 1145, er war Prämonstratensermönch in Floreffe und leitete die Delegation, die auszog, um das Kloster zu übernehmen. 1135 wurde er hier Abt.
Elias von Rommersdorf, verstorben am 24. März 1201, leitete seit etwa 1197 das Kloster.
Wilhelm Arnold Günther, (1763, Koblenz bis 1843, Trier) legte seine Profess 1783 in Rommersdorf ab. 1787 wurde er in Trier zum Priester geweiht und kehrte im Folgejahr nach Rommersdorf zurück, wo er als Archivar und Bibliothekar arbeitete. Im Jahre 1794 verfasste er eine fundierte Geschichte der Abtei. Nach der Auflösung der Abtei wirkte er zunächst in Ehrenbreitstein, trat dann aber 1805 ins Departementsarchiv in Koblenz ein und wurde 1814 Archivar bei der Regierung in Koblenz. Seine »Topographische Geschichte der Stadt Coblenz von ihrem Entstehen bis zum Schluss des 18. Jahrhunderts« erschien 1813 im Druck. Von größter Bedeutung ist auch sein »Codex diplomaticus Rheno-Mosellanus«, ein Quellenwerk mit über 2000 Urkunden aus dem 8. bis zum 18. Jahrhundert. 1828 wurde er zum Domkapitular ernannt, 1834 zum Weihbischof in Trier, ab 1836 bis zu seinem Tod verwaltete er das Bistum als Kapitelsvikar.
In Heimbach-Weis befindet sich auch der sehenswerte Neuwieder Zoo.
Im Stadtteil Segendorf liegt, malerisch im Wald, das Schloss Monrepos, heute ein Museum, das Exponate zur Archäologie des Eiszeitalters beherbergt. Zeugnisse der Kultur von Gönnersdorf und viele andere Funde machen den Weg hier hinauf zu einem lohnenden Ausflug.
Der schon erwähnte Weltreisende Maximilian Prinz zu Wied liegt hier begraben. Schloss Monrepos war aber auch häufiger Aufenthaltsort der Dichterin Carmen Sylva, geborene Prinzessin Elisabeth zu Wied (1843–1916). 1881 wurde sie Königin von Rumänien. Ihr dichterisches und soziales Engagement gerät allmählich in Vergessenheit, dem kann man am Bücherstand des Museums abhelfen.
Wer Ruhe sucht, ist hier richtig. Romantisch, verwunschen, ein Ort zum Wandern und Entspannen in herrlicher Landschaftskulisse.
Schloss Engers im Stadtteil Engers bildet einen weiteren Höhepunkt direkt am Rhein. Engers hat seit 1357 das Stadtrecht. Da sich der Graf von Wied zusammen mit seinem »Kollegen« aus Isenburg als Raubritter betätigte, erhielt nach einer Fehde der Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein 1371 die Stadt und errichtete eine Burg. 1412 wurde der Trierer Rheinzoll von Schloss Stolzenfels aus hier her verlegt. Im Jahre 1758 ließ Kunos moderner Nachfolger Johann Philipp von Walderdorff die Burg abreißen, seine Zeit verlangte nach einem Jagd- und Lustschloss. Er beauftragte den Hofbaumeister Johannes Seiz, einen Schüler Neumanns, mit der Errichtung. Heraus kam nach dreijähriger Bauzeit (1759–1761) ein wunderschöner Bau, auf hufeisenförmigem Grundriss, ganz in fränkischer Barocktradition, der jetzt, nach umfangreicher Restaurierung, als Sitz der Stiftung Villa Musica dient. Bemerkenswert sind die Fresken von Januarius Zick im zweigeschossigen Festsaal, seit der Zerstörung des Koblenzer Schlosses sind es die einzigen erhaltenen dieses bedeutenden Malers. Aber auch der umgebende Ort lohnt einen längeren Blick. Engers gilt als älteste römische Siedlung des rechten Rheinufers, die frühesten Siedlungsspuren stammen aber bereits aus der Jungsteinzeit. Gefunden wurden beispielsweise ein Hockergrab mit gut erhaltenem Skelett nebst Grabbeigaben, ein bronzenes Flachbeil aus der Bronzezeit und Hügelgräber im Bereich des Limes. Hier befand sich um 55 vor Chr. eine 12 Meter breite Brücke über den Rhein, die schon Cae-sar nutzte. Im 4. Jahrhundert entstand dann ein spätrömisches Kastell.
Sehenswert sind das alte Rathaus, der »graue Turm« mit Zollstation, der Stadtturm auf dem Friedhof sowie die Pestkapelle von 1662, »Reiler Pütz« und der Marktplatz mit den schönen Fachwerkhäusern. Die schöne Rheinpromenade führt direkt am Schloss vorbei.
Auch hier noch ein Tipp:
Nach einer kurzen Fahrt über den Rhein erreicht man Weißenthurm, benannt nach dem gleichnamigen Wahrzeichen der Stadt, dem Wachtturm, den der Trierer Erzbischof und Kurfürst Kuno von Falkenstein 1370 an der Grenze von Kurtrier und Kurköln errichten ließ. Heute beherbergt er das Heimatmuseum der Stadt. Nach Vereinbarung mit der Stadtverwaltung ist es zu besichtigen.
Auch die neuromanische Kirche mit ihrem imposantem Turm lohnt den Besuch. Besonders interessant aber ist das Hoche-Denkmal aus dem Jahre 1798. Es erinnert an den französischen General Lazare Hoche und seinen Rheinübergang mit 40.000 Mann vor der Schlacht bei Neuwied. Inmitten einer Rundanlage von 32 Metern Durchmesser erhebt sich ein 8 Meter hoher Obelisk mit Bronzereliefs, unter dem sich die Grabkammer des Generals befindet.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, ©Rhein-Mosel-Verlag)
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