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Linz
Linz trägt den Beinamen »die bunte Stadt am Rhein«, und das mit Recht. Er leitet sich ab von den vielen farbigen Fachwerkhäusern, die das Bild der Altstadt maßgeblich bestimmen. Noch immer werden hier sogar Fachwerkhäuser nach den alten Techniken neu gebaut, auch ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bewohner stolz sind auf ihre Stadt. Und auch dazu gibt es gute Gründe.
Linz wurde im Jahre 874 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Gegenüber der Ahrmündung gelegen, befindet sich Linz in unmittelbarer Nähe bedeutender Basaltbrüche, aus denen wohl schon um 1320 Steine für die Stadtmauern und Tore gewonnen wurden, denn da erhielt Linz die Stadtrechte. 1365 begann der Bau der Zoll- und Zwingburg, veranlasst durch Erzbischof Engelbrecht von der Mark. 1391 brannte Linz zu zwei Dritteln ab, und auch in den folgenden Jahrhunderten wurde die Stadt immer wieder von verschiedenen Truppen belagert, geplündert und besetzt: im Neusser Krieg (1475) von kaiserlichen Truppen, im Kölner Krieg (1583) und 1632 durch die Schweden. Im Dreißigjährigen Krieg siedelten sich die Ordensgemeinschaften der Servitinnen (1632) und der Kapuziner (1626) in Linz an. 1815 wurde die Stadt preußisch. Leider wurden aus praktischen Gründen in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts große Teile der erhaltenen Stadtbefestigung nieder gelegt.
Linz ist an und für sich bereits eine Sehenswürdigkeit, aber auch hier gibt es herausragende Monumente. Die Pfarrkirche St. Martin stammt aus dem 13. Jahrhundert. Sie nimmt den Platz eines 1198 niedergebrannten Vorgängerbaues ein. Ihre etwas sonderbare, unfertig wirkende Architektur verdankt sie dem Geldmangel des Stiftes Gerresheim bei Düsseldorf, zu dem sie gehörte. Aber die Fresken unter den Emporen machen das leicht wieder wett. Die Heiligendarstellungen stammen aus der Zeit um 1230, der Marienzyklus an der Westwand von ca. 1512. Das Altarbild entstand im 15. Jahrhundert. Unterhalb erstreckt sich die neue Marienkirche von 1968. Sie beherbergt einen echten Schatz: den grossen Flügelaltar mit Darstellungen aus dem Marienleben, Werk des Kölner Meisters der Lyversberg-Passion, entstanden 1461–63.
Besonders interessant ist die Kurkölnische Burg Linz, auch wegen ihres »Innenlebens«: Es gibt eine »römische Glashütte«, die an die Zeit vor 2000 Jahren erinnert, als die Umgebung noch zu den bedeutendsten Glaszentren der antiken Welt zählte. Hier kann man die Handwerkstechniken und Werkzeuge durch Zusehen kennen lernen, und natürlich Nachbildungen antiker Gefäße erwerben. Eine Sammlung mechanischer Musikinstrumente, das Kinoptikum und die Puppenstube mit Marionetten, Puppen und Bären sind für Kinder jeder Lebensphase ein Muss. Ihre Entstehung verdankt die Burg freilich weniger friedlichen Dingen. Linz strebte nach mehr Rechten für seine Bürger, dem Kölner Erzbischof missfiel das naturgemäß, so wurde 1365 eine Zwingburg errichtet. Ein Schicksal, das man mit dem ansonsten verfeindeten Andernach teilte. Grund des Streites (Stichwort Bäckerjungen): 1375 bis 1411 wurde der Andernacher Rheinzoll nach Linz verlegt, danach ging er wieder dorthin zurück. Es ging, wie so oft, ums Geld. Übrigens war auch Burg Linz ursprünglich eine Wasserburg, in den Schutzgräben schwappte Rheinwasser. Außer dem Turm ist aber von dieser frühen Bauphase nicht mehr viel sichtbar, die diversen Umbauten der letzten drei Jahrhunderte stechen markanter ins Auge.
Umgeben ist auch die Burg von den typischen, farbenfrohen Fachwerkbauten. Das Rathaus stammt aus dem 16. Jahrhundert, ein stolzer Neubau für eine stolze, neue Stadt, und, wir sind in Linz, es ist noch immer Rathaus. Mühlengasse, Rheingasse und Marktplatz beherbergen Fachwerk in allen Variationen, vom 15. bis 19. Jahrhundert. Die Kirche Mariae Verkündigung, geweiht 1645, gehörte den Kapuzinern. Die prächtige Madonna über dem Hauptportal darf man nicht versäumen. Und, nicht zu vergessen, zwei Tore der Stadtbefestigung haben das Diktat der Zweckmäßigkeit überlebt. Das Rheintor, am Burgplatz zum Rhein hin und, besonders malerisch, das Neutor am oberen Ende oder Anfang der Fußgängerzone.
Wem all das innerhalb von Linz nicht genügt: der historische Schienenbus »Drachenland-Express« führt von hier über eine 9 km lange Steilstrecke über Kasbach und die Brauerei Steffens bis nach Vettelschoss-Kalenborn und zurück. Allerdings nur an Sonn- und Feiertagen und vom 29. März bis 27. Oktober. Trotzdem: eine Fahrt ist immer ein Erlebnis. Abfahrt ist am Bahnhof Linz, Gleis 3 zu jeder vollen Stunde. Die erste Steigung führt an der Burg Ockenfels vorbei, Ende des 15. Jahrhunderts zerstört und in den 1920er Jahren wieder errichtet. Erste Haltestelle ist der alte Bahnhof in Kasbach. Nach kurzem Aufenthalt geht es weiter durch das Kasbachtal zur Brauerei, natürlich mit Schänke und Biergarten. Der letzte Teil ist dann wirklich eine Steilstrecke hinauf zur Endstation in Kalenborn, rund 400 Höhenmeter sind insgesamt zu überwinden. Kalenborn bietet sich als Ausgangspunkt für Wanderungen in den Westerwald an. Natürlich kann man auch zurück wandern, man wird mit interessanten Ausblicken belohnt.
Bei Antiquitätenfreunden beliebt ist der große Trödelmarkt, hier kann man alles finden vom fast druckfrischen Comic-Heft bis zur kompletten Einrichtung fürs Herrenzimmer, vom preiswerten Väschen bis zur Kapitalanlage. Und das alles vor solch historischer Kulisse.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, ©Rhein-Mosel-Verlag)