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Bendorf und Sayn
Die Stadt Bendorf ist dem eiligen Autofahrer unsichtbar. Man muss die B 42 verlassen, um sie wirklich wahr zu nehmen. Und das sollte man unbedingt. Die Stadtteile ziehen sich vom Rhein (Bendorf ist eine Hafenstadt) bis in die Hügel des Westerwaldes hinauf und haben viel zu bieten. Landschaft, Kultur, und Sehenswürdigkeiten hohen Ranges.
Seit der Spät-Latène-Zeit besiedelt, liegen die Anfänge Bendorfs in der Zeit um Christi Geburt, wie zahlreiche Bodenfunde und bei Ausgrabungen freigelegte Gebäudereste, so Spuren mehrerer Holzkastelle, eines steinernen Kastellbades, umfangreicher Teile des Kastellvicus und einer Eisenschmelze, belegen. Im Bendorfer Stadtwald lässt sich auch der einstige Verlauf des Limes noch gut erkennen und erwandern. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 948, im Mittelalter folgte eine rege Bautätigkeit der adeligen Familien und der Kirche, Bendorf wurde zum Marktflecken, und als roter Faden spinnt sich der Abbau und die Verhüttung von Erz durch die Geschichte des Ortes. Die Gründung der Sayner Hütten in den Jahren 1769 und 79 führte zu wirtschaftlichem Aufschwung. Seit 1928 gehören die Stadtteile Sayn und Mühlhofen zu Bendorf, seit 1970 die Gemeinde Stromberg.
Zwei mal spielte Bendorf eine Rolle in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Am 8. September 1893 wird in der Rheinstraße 10 unter dem Namen Hermann Dannenberger der Publizist und Schriftsteller Erik Reger geboren. Sein 1931 erschienener Roman »Union der festen Hand« spiegelt die Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft zwischen Kaiserreich und Drittem Reich. Im gleichen Jahr erhielt Reger zusammen mit Horváth auf Vorschlag Carl Zuckmayers den angesehenen Kleist-Preis. Im September 1945 bekam er, zusammen mit Walther Karsch und Erwin Redslob, von der britischen Zensurbehörde in Berlin die Genehmigung zur Herausgabe einer Tageszeitung, des Berliner Tagesspiegels, dessen Chefredakteur er bis zu seinem Tod am 10. Oktober 1954 war. Zu Unrecht lange Zeit wenig beachtet, wird er, wie es scheint, gerade wieder entdeckt.
Das andere Datum ist verknüpft mit dem Schicksal des Dichters Jakob van Hoddis, Autor des expressionistischen Programmgedichtes »Weltende«, das 1911 die Stimmung einer ganzen Generation bündelte. Der Sohn einer jüdischen Familie kam 1887 unter dem Namen Hans Davidsohn zur Welt. Mit Beginn des 1. Weltkrieges brach bei ihm eine psychische Erkrankung aus. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er geschützt in den »Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten« in Bendorf-Sayn, die es schafften, bis 1942 ihre Arbeit aufrecht zu erhalten, dann aber wurden sie aufgelöst, die Patienten und das Personal deportiert und ermordet. Einer von ihnen war Jakob van Hoddis.
Die Innenstadt von Bendorf bietet eine große Anzahl bürgerlicher Wohnhäuser des 18. Jahrhunderts. Beachtenswert darunter besonders das »Goethehaus«, Anwesen der Industriellen-Familie Remy in der Unteren Vallendarer Straße, wo Goethe während seiner Rheinreise mit Lavater (ebenfalls) nächtigte, die benachbarte reformierte Kirche – heute Ort für kulturelle Veranstaltungen – und die »Höfe«: (Niederhof und Oberhof).
Das Zentrum aber bildet die Pfarrkirche St. Medardus am Kirchplatz, die mit der protestantischen Pfarrkirche und dem seit 1807 der Stadt gehörenden Glockenturm ein untrennbares Ganzes bildet. Ursprünglich um 1200 errichtet, wurde um 1230 an der Südseite eine Marienkapelle angebaut, das sogenannte Reichardsmünster. 1561 wurde die Kirche evangelisch, das Reichardsmünster blieb katholisch. Dieser Teil wurde 1790 erweitert, 1864–67 entstand dann eine Basilika im neugotischen Stil. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde der evangelische Teil unter Verwendung erhaltener Reste neu errichtet. Viermal am Tag kann man dem melodischen Glockenspiel lauschen.
Oberhalb des Ortes, wo Saynbachtal und Brexbachtal sich treffen, finden sich vier herrschaftliche Bauten am und auf dem Burgberg. Zuoberst Burg Sayn, Stammsitz des gleichnamigen Grafengeschlechts, im 12. Jahrhundert errichtet, 1152 vom Kölner Erzbischof erobert, wieder aufgebaut, im 14. und 15. Jahrhundert erweitert und schließlich 1633 von den Schweden endgültig zerstört. Der Burgberg lässt sich gemütlich zu Fuß erwandern oder auch mit dem Auto erreichen. Von oben hat man einen herrlichen Blick über Schlosspark und Rheinebene bis auf die Berge der Vulkaneifel. Darüber hinaus finden an bestimmten Tagen Flugvorführungen mit Adlern und Falken statt. In der romanischen Burgkapelle lohnt die Besichtigung des Schmuckfußbodens aus grauen Tonplatten.
Darunter findet sich die Ruine des Burgmannensitzes der Grafen von und zum Stein und des spätgotischen Reiffenbergschen Burghauses, das, mehrfach umgebaut, zum späteren Schloss wurde.
Am Fuß des Burgberges steht es seit dem Jahr 2000 wieder, das neugotische Schloss Sayn, als wäre es nie Ruine gewesen. 1848 vom französischen Architekten F. J. Girard, dem späteren Chefintendanten des Pariser Louvres, an Stelle eines Vorgängerbaues von 1757 errichtet, wurde es zur Residenz des Fürsten Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Die Familie führt seitdem den Namen Sayn-Wittgenstein-Sayn. »Wahrhaft ein Märchenschloss«, so das Urteil eines Besuchers, der oft und gern dort zu Gast war: der spätere Kaiser Wilhelm I. 1945 brannte das Schloss nieder, nur die Kapelle blieb stehen. Inzwischen beherbergt der Bau neben der städtischen Tourist-Information das Stadtmuseum mit einer bedeutenden Eisenkunstguss-Sammlung, Säle für Konzerte und kulturelle Veranstaltungen, Salons und Tagungsräume.
Der Schlosspark wurde von Siesmeyer, dem Architekten des Frankfurter Palmengartens im Stile eines englischen Landschaftsgartens Mitte des 19. Jahrhunderts gestaltet. Gleich nebenan findet man den Garten der Schmetterlinge. Angelegt in zwei Glaspavillons, beherbergt er nicht nur hunderte exotischer Schmetterlinge, sondern auch tropische Pflanzen, Bachläufe, Brücken und Grotten, Koi-Karpfen, Schildkröten, Leguane, Kolibris und andere tropische Vögel. Im Außenbereich gibt es unter anderem einen aufschlussreichen Naturlehrpfad, Kinderspielplätze und eine Minigolfanlage.
Am Eingang zum romantischen Brexbachtal steht mit der Abtei Sayn ein herausragendes Baudenkmal, das unbedingt auf den Besichtigungsplan auch des eiligsten Reisenden gehört. Gegründet vom Grafen Heinrich III. zu Sayn im Jahre 1202, wurde das Kloster von Prämonstratenser-Mönchen besiedelt. Vom ursprünglichen Kirchenbau von 1220 sind Chorquadrat, Vierung, südliches Querhaus und östliches Langhausjoch erhalten. Der Rest des Langhauses wurde um 1330 vollendet, der Bau aber bis ins 17. Jahrhundert immer wieder umgestaltet. Wundervoll sind außen die spätromanischen Malereien an den Blendarkaden. Innen finden sich ebenfalls Schätze: eine Stumm-Orgel, der Schrein des Heiligen Simon, ein Armreliquiar der Heiligen Elisabeth von Thüringen, bemerkenswerte Grabmäler der Familien von Stein und von Reiffenberg (leider ist das hölzerne Stiftergrab nicht hier, sondern im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu besichtigen) sowie der erhaltene Westflügel des Kreuzganges mit Brunnenhaus, ebenfalls herrlich ausgemalt.
An der Abteistraße steht noch eine Pestkapelle mit Pestkreuz.
Ein Denkmal ganz anderer, aber nicht minder bedeutender Art steht ebenfalls im Brexbachtal. Das Industriedenkmal Sayner Hütte. Wie oben schon vermerkt, wird auf Bendorfer Grund seit römischer Zeit Eisen verarbeitet. Die Gruben und Eisenhütten in Bendorf, Sayn und Mülhofen waren zu allen Zeiten ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor für das ganze Umland.
Die Sayner Hütte, berühmt für die Qualität ihrer Produkte, gehörte seit 1815 der preußischen Krone und war neben Berlin und Gleiwitz dritter Standort der Königlich-Preußischen Eisengießereien. Carl Ludwig Althans erhielt den Posten des Aufsehers der rechtsrheinischen Berg- und Hüttenwerke. Somit war er auch zuständig für die Errichtung eines neuen Hochofens und einer Gießhalle. Deren Aufsehen erregende Konstruktion aus Gusseisen und Glas hat Industriegeschichte geschrieben. Hier greift das Bild von den »Kathedralen des Fortschritts«, der Bau erinnert an eine dreischiffige Basilika.
Auch in Bendorf ist das Übernachtungs-Angebot reichhaltig. Hotels, Gasthäuser und Ferienwohnungen bieten Platz zum Verweilen. Die Umgebung lädt zu Spaziergängen, so im Stadtwald oder durch die Täler des Sayn- und des Brexbaches, die Wanderwege ergeben zusammen genommen eine Strecke von sage und schreibe 240 Kilometern. Über die waldreichen Höhen der Stadt führt der bekannte Rheinhöhenweg, der Limes-Wanderweg folgt dem Verlauf des Walles (anschaulich: die Rekonstruktion eines römischen Wachturmes auf dem Pulverberg aus dem Jahre 1912). In der Nähe verläuft auch der Deutsche Limes-Radweg.
Den Mittelpunkt der Ausstellungen bilden die Erzeugnisse der Sayner- und der Concordiahütte, herausragende Werke des Eisenkunstgusses. Ein filigranes Diadem, Weinlaub-Hals- und Armschmuck, Neujahrsplaketten mit Ansichten rheinischer und westfälischer Kunstdenkmäler, durchbrochene Teller, Ziertische, Sitzmöbel und eine Wendeltreppe, aber auch Herde und Öfen, Kochgeschirr und technisches Gerät, alles nur Erdenkliche lässt sich bewundern. Mein Tipp: schauen Sie nach der »Sayner Mücke«, einer eisernen Stubenfliege in Lebensgröße, Ergebnis und stolzer Höhepunkt jahrhundertealter Handwerkskunst.
Begleitend dazu widmet sich das Stadtmuseum der Thematik »Arbeiten und Leben zur Zeit der Frühindustriealisierung«.
Mitten in Alt-Sayn steht die denkmalgeschützte Heins Mühle. Dank privater Initiative konnte die historische Kornmühle restauriert und wieder in Gang gebracht werden.
Auch hier zwei Ausflugstipps (sie sind ohne Probleme mit einander zu verbinden):
Burg Grenzau, (Höhr-Grenzhausen) durch Heinrich I. von Isenburg (1181-1222) erbaut an der Stelle, wo eine wichtige Handelsstraße den Brexbach überquerte. Die Ruine steht auf einem nach drei Seiten steil abfallenden Berg. Eine Besonderheit ist der über 32 m hohe Bergfried, einzigartig in Deutschland, er ist nämlich dreieckig. Der Name Grenzau entwickelte sich aus »Gransioie« (von grande joie – große Freude). Im Laufe des 30-jährigen Krieges durch französische Truppen zerstört, diente sie im 17. Jahrhundert als Wohnsitz eines Amtmannes, verfiel aber immer mehr, bis sie 1922 in Privatbesitz kam. Im Bergfried befindet sich heute ein Museum, in dem Ofenplatten und Eisenkunstguß des 19. Jahrhunderts sowie Steinzeugarbeiten aus dem Kannenbäckerland zu besichtigen sind. Weiterhin bemerkenswert ist das Gasthaus Burg Grenzau von 1631 mit herrlichen Fachwerkschnitzereien und die Kapelle St. Peter und Paul.
Die wehrhafte Isenburg wurde um 1100 als romanische Höhenburg auf einem Bergkegel am Zusammenfluss von Sayn- und Iserbach als Stammburg der Herren von Isenburg erbaut. 1633, wurde die Burg von einem spanischen Armeecorps besetzt, im März 1634 aber wieder befreit. 1664 starb Graf Ernst zu Isenburg ohne Nachkommen, die Burg verfiel zur Ruine. Heutiger Eigentümer ist der Fürst zu Wied.
Im Ort Isenburg finden sich noch zwei der einst vier befestigten Tore, nämlich die »Alte Porz« in der Dorfmitte, und die »Schildpforte« oberhalb des Friedhofs bei der Pfarrkirche. Ebenfalls erhalten haben sich Reste der einst den Burgflecken umgebenden Ummauerung.
Sportarten wie Tennis, Angeln, Schwimmen, Minigolf und Reiten werden angeboten.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, ©Rhein-Mosel-Verlag)