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Bacharach
Bacharach bietet einen herrlichen Anblick. Man sollte sich die (kleine) Mühe machen und es sich wandernd von oben betrachten, man wird belohnt mit einem der schönsten, geschlossensten Stadtbilder des Rheins. Victor Hugo (1802-1885) verbrachte auf seiner Rheinreise 1840 drei Tage hier. Sein Bericht beginnt: »Ich befinde mich gegenwärtig in den schönsten, bravsten und unbekanntesten Städten der Welt.« Und er fährt fort: »Bacharach ist wohl die älteste Anhäufung menschlicher Behausungen, die ich je gesehen habe. Im Vergleich mit Bacharach sind Oberwesel, St. Goar und Andernach vornehm wie die Rue de Rivoli. Bacharach ist das alte Bacchi Ara. Es sieht aus, als hätte ein Riese, der sich einen Trödlerladen am Rhein einrichten wollte, ein Stück Gebirge als Regal benutzt und darauf von oben bis unten mit seinem Riesengeschmack einen Haufen ungeheurer Kuriositäten aufgebaut.« (Aus: Der Rhein, Übs. Karl Zimmer, München 1973, S. 61.)
Bacharach hat sich auch seinen Platz in der Literaturgeschichte verdient. Clemens Brentanos Ballade »Zu Bacharach am Rheine« löste den Loreley-Mythos aus, zahllose andere Texte folgten, Robert Stolz siedelte hier gar seine Operette »Wenn die kleinen Veilchen blühn« an. Aber auch das »Bacchi Ara«, der Altar des Bacchus ist ein, wenn auch nahe liegender, Mythos. Man habe auf einem bei Niedrigwasser auftauchenden Rheinfelsen dem Gott des Weines geopfert.
Bacharach ist keine römische Gründung, es ist älter. Der Name geht wohl auf das keltische »Baccaracum« zurück. Bacharach war merowingisch, dann kölnisch. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 923. 1214 ging die Pfalzgrafschaft auf das Haus Wittelsbach über, zu dem Bacharach am Rhein fast 600 Jahre bis zur französischen Revolution gehörte. 1243 besaß Wittelsbach mit Burg Stahlberg und Burg Fürstenberg das ganze, so genannte Viertäler-Gebiet, Bacharach, Steeg, Oberdiebach und Manubach. Von 1214 bis 1508 prägten die Pfalzgrafen hier Münzen. 1254 wurden Bacharach und Diebach in den Rheinischen Städtebund aufgenommen, 1314 hier Ludwig der Bayer zum König gewählt. Der »Bacharacher Landfrieden« verbot Streitigkeiten, und 1349 heiratete Kaiser Karl IV. auf Burg Stahleck Anna, die Tochter des Pfalzgrafen Rudolf. Zwischen 1344 und 1364 wurde Bacharach befestigt, dazwischen, 1356 erhielt es die Stadtrechte. Mitte des 15. Jahrhunderts entstand eine Zollstätte, einhundert Jahre später führte Pfalzgraf Friedrich II. die Reformation ein. Dann ging es rapide abwärts. Der Dreißigjährige Krieg mit seinen wechselnden Besatzungen und Zerstörungen und die Schleifung der Burgen und der Stadtmauer 1689, der Pfälzische Erbfolgekrieg und die Französische Revolution mit nachfolgender napoleonischer Eroberung brachten die einstmalige Bedeutung der Stadt zum Erliegen. 1813/14 wurde Bacharach preußisch. Es war das 19. Jahrhundert, das mit der Öffnung des »Binger Lochs«, der Rheinregulierung und der Einführung von Dampfschiffen eine Wende brachte, den Tourismus, nicht zuletzt angelockt vom berühmten Bacharacher Wein. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehört Bacharach fast wieder zur Kurpfalz, zumindest zum Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz. Heute umfasst es die Stadtteile Henschhausen, Medenscheid, Neurath und Steeg.
Die Sehenswürdigkeiten sind zahlreich. Von der Stadtbefestigung aus dem 14. Jahrhundert sind noch die Ringmauer, die zwischen Zollhof und Münzturm begehbar ist, so wie Krahntor, Markttor und Münztor und mehrere Türme erhalten. Bedeutende Zeugnisse des mittelrheinischen Fachwerks sind: das Alte Haus, ein Fachwerkbau von 1568, viel besungen und Schauplatz der Operette von Stolz, die kurfürstliche Amtskellerei von 1558, das Haus Sickingen, 1420 erbaut, der Fachwerk-Oberbau stammt aus dem 16. Jahrhundert, das Haus befand sich lange im Besitz der Familie des Reichsritters Franz von Sickingen, das Zehnthaus, die Alte Post von 1593, seit 1724 Sitz der Thurn- und Taxischen Postverwaltung und bis 1987 Bacharacher Postamt und die kurpfälzische Münze. Ebenfalls bedeutend ist das 1585 erbaute Haus Utsch. Im 18. Jahrhundert residierte in dem mittelalterlichen Fachwerkhaus Friedrich Wilhelm Utsch, einer der beiden Aspiranten auf den Inspirator des »Jägers aus Kurpfalz.«
Bacharachs Wahrzeichen ist die hochgotische Wernerkapelle aus dem 13. Jahrhundert. 1337 wurde ihr Chor geweiht, doch vollendet wurde der Bau erst 1427. Der Anlass zum Bau diese Juwels war weniger angenehm: Der Mord an dem Knaben Werner, dessen Leiche man in der Karwoche 1287 in Bacharach fand, wurde ohne jeglichen Grund der Judengemeinde im benachbarten Oberwesel angelastet. Die Folge war eine wilde Judenverfolgung, der über 40 Menschen zum Opfer fielen. Heinrich Heines Erzählung »Der Rabbi von Bacharach« spiegelt noch die Geschehnisse. Gleichzeitig setzten damals Wallfahrten zum Grabe des als Märtyrer verehrten Werner ein, den man in der kleinen Kunibertskapelle auf dem Friedhof oberhalb der Bacharacher Pfarrkirche beigesetzt hatte. Dennoch, die erwartete Heiligsprechung Werners blieb aus. Bis heute. Allerdings dauerte es bis 1963, das Fest zu Ehren Werners aus dem Trierer Kalender zu streichen. Immerhin, eine Gedenktafel mahnt jetzt hier zur Versöhnung zwischen Christen und Juden. Die Sprengung von Stahleck 1689 zerstörte Dach und Gewölbe des Gebäudes, weitere Schäden folgten. Aber gerade das führte bei den Rheinromantikern zu Begeisterung. Mit Recht, denn die Ruine zählt zu den schönsten Schöpfungen gotischer Architektur am Rhein.
Die Pfarrkirche Sankt Nikolaus ist Bestandteil eines 1688 an der Stelle der alten Zollstation errichteten früheren Kapuzinerklosters und beherbergt ein spätgotisches Kreuzigungsrelief, eine durch Gerhard von Kügelgen gefertigte gute Kopie der »Maria Magdalena« von Correggio und schöne Barockaltäre. Die evangelische Pfarrkirche St. Peter (11.–14. Jahrhundert) ist architektonisch hoch interessant. Ihre Grabdenkmäler und der riesige Christophorus sind ebenso überraschend wie sehenswert.
Die genaue Entstehungszeit von Burg Stahleck ist nicht bekannt, doch ist nachgewiesen, dass die Burg schon im Jahre 1095 bewohnt war. Urkundlich wird sie erstmals 1135 genannt. 1156 wurde Konrad von Hohenstaufen Pfalzgraf und machte Bacharach zu Zentrum und Residenz des entstehenden pfalzgräflichen Territoriums am Rhein. 1194 ging die »Hochzeit von Stahleck«, die heimliche Vermählung zwischen dem Sohn Heinrich des Löwen und der Tochter des Pfalzgrafen Konrad, in die Geschichte ein, ein vergeblicher Versuch, mit den Mitteln der Liebe Staufer und Welfen zu versöhnen. 1214 fiel Stahleck als erledigtes Lehen an den Wittelsbacher Ludwig von Bayern. 1349 heiratete Kaiser Karl IV. hier Pfalzgräfin Anna. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Stahleck stark beschädigt, 1666 unter Pfalzgraf Karl Ludwig wieder hergestellt, aber das Jahr 1689 bedeutete auch hier das Ende. Als Ruine kaufte sie 1828 Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, um seiner Gemahlin Elisabeth von Bayern mit diesem Sitz ihrer Vorfahren eine Freude zu machen, aber wie das manchmal mit Geschenken ist, schien sie gar nicht erfreut über den Steinhaufen. Erst 1909 verkaufte die preußische Domänenverwaltung die Burg an den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, der erste Instandsetzungsarbeiten durchführte.
Zwischen 1925 und 1927 wurden die Ring- und Schildmauer der Burg wieder hergestellt und auf den Grundmauern eine Jugendherberge errichtet. Am 23. Juni 1926 wurde die Jugendburg zunächst mit 65 Betten eröffnet. Umbauten folgten 1967, der Bergfried wurde neu errichtet und überdacht. Heute ist Stahleck eine der bekanntesten Jugendherbergen. Schaut man sie an, sieht man eine gelungene Rekonstruktion, die, herrlich gelegen, Abenteuerlust weckt, nicht nur bei den jungen Besuchern. Über einen eindrucksvollen und abwechslungsreichen Serpentinenweg mit Ruheplätzen und Aussichtspunkten ist sie von der Peterskirche aus in zehn Minuten erreichbar. Zu besichtigen ist nur der Burghof, aber der Blick über Bacharach, die Weinberge, Rheindiebach und das gegenüberliegenden Ufer mit Lorch und Lorchhausen ist den Aufstieg allemal wert.
Über dem Ortsende von Steeg liegt die Ruine Stahlberg. Bergfried und Schildmauer sind noch erhalten, die Reste einer Vorburg sichbar.
Burg Stahlberg entstand gleichzeitig mit der 1219 vollendeten Burg Fürstenberg zum Schutz des Viertälergebietes. 1243 überließ sie der Kölner Erzbischof Conrad von Hochstaden dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach zum Lehen. 1316 wurde sie von Ludwig von Bayern an den Erzbischof Balduin von Trier verpfändet, fiel nach dessen Tod 1354 samt Viertälergebiet wieder an die Pfalzgrafschaft. Im Dreißigjährigen Krieg 1620 von spanischen Truppen, 1632 von den Schweden sowie mehrmals von den anderen kriegsführenden Parteien eingenommen, wurde Stahlberg schon mehr oder weniger zerstört, 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg von den Truppen Ludwigs des XIV. gesprengt. 1804 wurden die Trümmer für 350 Francs versteigert. Seit 1912 gehört die Ruine dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Seither wurden zahlreiche Maßnahmen unternommen, den weiteren Verfall zu stoppen. Der Weg zur Ruine ist nur unzureichend ausgeschildert. In Steeg biegt man nach dem Wasserwerk auf einen unbefestigten Weg nach links ab.
Lohnenswert ist auch ein Besuch der Rheinanlagen und der vielleicht etwas mühsame Weg zum Postenturm. Von hier aus hat man einen einmaligen Panoramablick über Bacharach, die »heimliche Hauptstadt der Rheinromantik«. Der »Posten« bezeichnet auch eine sehr bekannte Weinlage. Von dieser Stelle aus haben schon viele Maler Bacharach in Bildern festgehalten.
(Textfassung aus »Der romantische Rhein« von Thomas Krämer, ©Rhein-Mosel-Verlag)